Visualität und Souveränität. Inszenierungen von Herrschaft in der Tragédie en musique

Menschenmenge vor der Pariser Oper, 12. Juli 1789, Bibliothèque de l’Opéra
Die französische Barockoper ist von Beginn an stark visuell ausgerichtete Inszenierung des absolutistischen Herrschers. In immer neuen Figurationen betritt der Souverän mit Maschinen, Lichteffekten und um ihn zentrierten Choreografien die Szene und unterwirft das Bühnengeschehen einem Spektakel des merveilleux. Die Ordnung des Spektakels aber lässt durch ihre Offenheit, die auch Grenzen und Rückseiten ihrer Inszenierungsformen aufzeigt, Raum für alternative Inszenierungsformen und Herrschaftsentwürfe: Opern des 18. Jahrhunderts bringen immer wieder offene Revolten gegen absolute Herrscher und alternative Herrscherfiguren auf die Bühne. Dabei stellen sie einander akustische und visuelle Inszenierungsformen von Herrschaft gegenüber und überblenden diese miteinander: Neue Machtträger treten häufig akustisch – als körperlose Stimme oder mit lärmenden Volksmassen aus dem Off – in Erscheinung. Anhand von verschiedenen Opernfassungen und Dokumenten zu deren Aufführungskontexten soll der Frage nachgegangen werden, welche Rolle der Entwurf alternativer Herrschaftsmodelle und damit verbundener Inszenierungsformen innerhalb einer Ästhetik des visuellen Spektakels der französischen Barockoper in den letzten Jahrzehnten des Ancien Régime spielt.